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Wer kennt sie nicht, die automobilen Klassiker, bei denen einem zuerst reumütige Gedanken in den Sinn kommen: Warum habe ich mir nicht einen Porsche 356 weggestellt, als er am Gebrauchtwagenmarkt noch günstig gehandelt wurde? Oder einen Austin Healey 3000? Oder vielleicht sogar eine AC Cobra?
Sei es der Gedanke an „Gewinnmitnahmen“, die man in der Zwischenzeit durch die Wertsteigerung von etablierten Klassikern hätte erzielen können oder auch an die Faszination von bestimmten Modellen, die sich während ihrer Bauzeit durch hervorstechende Eigenschaften besonders hervortaten: Bei „altem Blech“ bedarf es häufig einer gewissen Reifezeit, bevor man seinen „Wert“ (im doppelten Wortsinne) zu schätzen lernt.
Das war schon bei manchen Vorkriegsmodellen so, die zu Lebzeiten nur einer gut betuchten Klientel aus der „Upper Class“ oder ausgewiesenen Sportfahrern zugänglich waren. Man denke dabei zum Beispiel an die Mercedes Sportwagen mit Kompressor aus den 30er-Jahren, von denen nur wenige hundert Stück gebaut wurden, von denen aber viele Autofans schon damals träumten.
Etwa 30 Jahre später entstand in den USA die erste Version eines Excalibur genannten offenen Fahrzeugs, welches optisch sehr stark vom Mercedes SSK aus der Zeit um 1930 inspiriert war. Der Excalibur setzte beim Fahrgestell und bei den Motoren (von General Motors) auf preiswerte amerikanische Komponenten und konnte deshalb in den USA recht günstig angeboten werden. Sein Auffälligkeitswert war natürlich sensationell, und so wurde er, auch in Deutschland, gerne von Kunden aus dem „halbseidenen“ Milieu gekauft. Am besten liefen die Geschäfte von Excalibur in den 70er-Jahren, später gab es mehrere Besitzerwechsel und die Verkaufszahlen gingen zurück.
Der „Mercedes-Stern“ auf dem klassischen Kühler ist bei genauem Hinsehen kein echter. Das machte aber den Käufern des Excalibur nichts aus, genauso wenig wie der grollende Sound des unter der langen Haube arbeitenden amerikanischen V8-Motors.
Eine immer noch faszinierende Marke aus der Vorkriegszeit war nach dem Krieg auch Bugatti. Dies beruhte vor allen Dingen auf den Rennerfolgen der blauen Sportwagen in den 20er- und 30er-Jahren, vor allem durch die Typen 35 und 57. Letzterer bescherte Bugatti sogar zwei Siege beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Heute werden fast alle der knapp 8000 produzierten originalen Bugatti in Gold aufgewogen, so groß ist das Sammlerinteresse.
In der Nachkriegszeit hat der Ruhm dieser Fahrzeuge weltweit ein gutes Dutzend Firmen veranlasst, mehr oder weniger gelungene Replicas von Bugatti-Modellen herzustellen. Ab Mitte der 70er-Jahre entstand so durch die Firma Scheib in Ansbach ein Nachbau des Bugatti 35, der optisch kaum, akustisch jedoch sofort vom Original zu unterscheiden war. Scheib setzte nämlich eine nahezu originalgetreue Karosserie auf das Fahrgestell eines VW Käfers.
Da im spitz zulaufenden Heck des Wagens der Platz dafür ausreichte, verrichtete dort der bekannte 4-Zylinder-Boxermotor des Wolfsburger Krabbeltiers seinen unüberhörbaren Dienst. Ein Stilbruch? Vielleicht, aber ein erfolgreicher, denn die Käufer dieser Replicas freuten sich über das ausgefallene Design und störten sich wenig an den verhaltenen Fahrleistungen ihrer Autos.
Mit viel Liebe zum Detail restaurierter „Bugatti“ mit Käfer-Motor, selbstverständlich in blau, der Farbe, die vor dem 2. Weltkrieg alle französischen Sportwagen zierte, die bei Rennen eingesetzt wurden. Bugatti mischte in dieser Zeit fast immer erfolgreich mit, z.B. in Le Mans.
Die Geschäfte liefen gut bei Scheib, und so begann man bald, das funktionierende Geschäftsmodell auf andere Fahrzeuge auszuweiten, an die man in den 70ern noch relativ frische Erinnerungen hatte, die jedoch entweder aus dem Straßenbild bereits weitgehend verschwunden oder aber überteuert bzw. nur in zweifelhaftem Zustand am Markt verfügbar waren.
Auch beim Nachbau des MG TD aus der Nachkriegszeit saß der Käfermotor im Heck; dafür befand sich im Fahrzeugvorderbau der Kofferraum. Die Käufer dieser Replica störte es nicht, denn sie erhielten einen charmanten Retro-Sportwagen mit der zuverlässigen und damals überall und preisgünstig verfügbaren Technik des immer noch allgegenwärtigen VW Käfer. Die Karosserieform des MG TD diente wie die des Bugatti 35 zahlreichen Herstellern als Vorlage für Replicas; den MG baute beispielsweise auch die brasilianische Firma MP Lafer nach und exportierte davon einige Exemplare nach Deutschland.
Wie die Zeit vergeht: Dieser hübsche MP Lafer von 1979 ist der Nachbau eines englischen Sportwagenklassikers der unmittelbaren Nachkriegszeit, jedoch inzwischen selbst schon seit längerem ein Oldtimer!
Ähnlich verhielt es sich bei einer deutschen Sportwagenikone der Nachkriegszeit: Der Porsche 356 war wegen seiner konstruktiven Nähe zum VW Käfer ein überaus dankbares Objekt für eine Neuinterpretation: Scheib und einige andere, wie z.B. Apal in Belgien, setzten eine GFK-Karosserie des optisch besonders charismatischen 356 Speedster auf ein verkürztes Käferfahrgestell. Das grundsätzliche technische Layout war bei Porsche und VW durch den Heckmotor sowieso identisch, der Motorensound war ähnlich, und wem es an Leistung mangelte, konnte den serienmäßig eher schlappen VW-Motor von Tunern wie Oettinger auf mehr Leistung bringen lassen, z.B. auf temperamentvolle 85 PS. Damit war man bezüglich der Fahrleistungen etwa auf Augenhöhe mit dem originalen 356 Super 90.
Der originale Speedster war die sportlichste Variante der Porsche 356-Modelle. Kein Wunder, dass diese Karosserieform mit niedriger Windschutzscheibe von den Herstellern von Replicas bevorzugt wurde.
Manche Fahrzeuge hinterlassen bei ihrem Ableben eine schmerzliche Lücke, dies trifft neben den gerade aufgeführten Beispielen vor allem auf viele britische Fahrzeuge zu, ganz besonders auf Roadster. Schöne Beispiele dafür sind der Austin Healey 3000, der AC Cobra und der MG B. Sie alle wurden oder werden mehr oder weniger detailgetreu nachgebaut.
Der Austin Healey 3000, auch gerne als „Big Healey“ bezeichnet, war genau genommen schon zum Zeitpunkt seiner Produktionseinstellung veraltet. Der Motor hatte nur eine seitliche Nockenwelle und holte aus üppigen 3 Litern Hubraum nur 124 PS heraus. Das war auch 1967 schon eine recht bescheidene Leistungsausbeute. Das Fahrwerk besaß für ein Auto dieser Kategorie nur eine schmale Spurweite; hinzu kam eine starre Hinterachse mit Blattfedern, eine Reminiszenz an den Kutschenbau und weit entfernt von der Fahrwerksdynamik moderner Einzelradaufhängungen.
Trotzdem wurde dieses Fahrzeug schon bald nach Produktionsauslauf vermisst. Der „Big Healey“ wurde von seinen Fans gerade wegen seiner antiquierten Technik geliebt. Er verkörperte einen knorrigen britischen Roadster alter Schule, bei dem die Federung knochentrocken war und alles etwas schwerer ging als bei kultivierteren Wettbewerbern vom Kontinent, wie beispielsweise einem Mercedes 230 SL. Und sein Motor war zwar konstruktiv stocksimpel aufgebaut, aber er schöpfte Drehmoment aus dem Hubraum und hatte einen standesgemäßen Sound. Aufgrund der kompakten Außenmaße und des für einen 3-Liter-Sportwagen niedrigen Leergewichts kam man auch flott voran.
Es dauerte trotzdem überraschend lange, bis in den späten 80er-Jahren eine europäische Firma den Mut hatte, den „Big Healey“ recht originalgetreu nachzubauen. Die Firma HMC fand sogar einen „britischen“ Motor für ihre Replica: den 3,5-Liter Leichtmetall-V8 von Rover, welcher ursprünglich von Buick entwickelt wurde, später aber an Rover verkauft wurde. Durch seine kompakte Bauweise ist dieser Motor für den Einbau in Fremdfabrikaten prädestiniert und wurde bei verschiedenen britischen Herstellern ohne eigene Motorenentwicklung eingesetzt, z.B. bei Morgan, TVR und Marcos.
Dieser in typischer Zweifarbenlackierung ausgeführte HMC Mark IV ist erst auf den zweiten Blick vom Original zu unterscheiden: Damit es dem Rover-V8 nicht zu warm wird, besitzt er in den vorderen Kotflügeln jeweils ein Lüftungsgitter.
Auch der MG B gehörte zu den Roadstern, die bald nach dem Auslaufen der Produktion vermisst wurden. Der MG B war mit seinen geschlossenen Derivaten der erfolgreichste britische Sportwagen überhaupt; mehr als eine halbe Million Stück wurden von ihm in 18 Jahren Bauzeit produziert und überwiegend in die USA exportiert. Ende der 70er-Jahre befanden sich die britische Autoindustrie und besonders der in Staatsbesitz befindliche Konzern British Leyland jedoch in schweren wirtschaftlichen Turbulenzen, weshalb der MGB 1980 ersatzlos eingestellt wurde.
In den 90ern zeigte der Erfolg des Mazda MX 5, dass der Markt plötzlich wieder aufnahmefähig für sportliche offene Zweisitzer geworden war. Dies entging auch der Nachfolgefirma von British Leyland nicht, die sich mittlerweile nur noch Rover Group nannte. So entstand mit dem MG R V8 1992 eine Neuauflage des MG B Roadsters mit nur geringen Karosserieänderungen, jedoch einem aufgewerteten Interieur und einem Rover V8-Motor mit 3,9-Liter Hubraum unter der Haube. Dieses Modell blieb jedoch ein kurzzeitiges Intermezzo und brachte es nur auf eine vorher angekündigte Stückzahl von 2000 Fahrzeugen, die allesamt als Rechtslenker entstanden. Einige davon wurden nach Japan exportiert!
Neuer Wein in alten Schläuchen? Motorseitig bot der MG R V8 mit 190 PS exakt doppelt so viel Leistung wie sein Vorgänger MG B. An anderer Stelle blieb man dagegen bei der bereits zu Lebzeiten des MG B nicht mehr zeitgemäßen Technik: Blattfedern und Trommelbremsen an der Hinterachse waren in den 90ern bei Sportwagen ein Anachronismus.
Ganz anders verlief das Schicksal der AC Cobra. Sie hatte einen Vorfahren namens AC Ace, einen leichten britischen Roadster aus den Fünfzigern, dessen beste Zeit Anfang der 60er-Jahre schon vorbei war. Eine gewisse Beliebtheit hatte der Ace jedoch in den USA, weil er, wie fast alle britischen Roadster damals, sportlichen Fahrern einen Fahrgenuss ermöglichte, der bei den einheimischen Herstellern, welche schon damals durch ausladende Karosserien, wenig standfeste Bremsanlagen und weiche Fahrwerksabstimmungen auffielen, einfach nicht zu haben war.
So wurde auch der Texaner Carroll Shelby auf das Fahrzeug aufmerksam und erkannte sein Potential. Er schlug dem AC-Management vor, einen amerikanischen V8-Motor von Ford in den Ace einzubauen, was auch recht zügig umgesetzt wurde, einschließlich einiger konstruktiver Änderungen, welche wegen der gegenüber früher deutlich erhöhten Motorleistung erforderlich wurden. Auf diese Weise entstand die AC bzw. Shelby Cobra.
Von der Shelby Cobra gab es eine Vielzahl von Varianten; Typisch für das Modell waren die Kotflügelverbreiterungen an der Hinterachse. Im Rennsport war die Cobra recht erfolgreich und gewann 1965 die Sportwagenweltmeisterschaft. Nach dem Produktionsende hat es bis heute zahllose Anläufe gegeben, die Produktion möglichst originalgetreuer Fahrzeuge wieder aufzunehmen, wobei dies immer wieder zu Konfusionen bezüglich der Markenrechte führte. Auch die Qualität der Nachbauten streute zwischen unterirdisch und hochqualitativ.
Diese originale, frühe Cobra verströmt trotz ihres bulligen Auftritts eine diskrete Eleganz. Bei manchen Nachbauten trifft dies eher weniger zu; hier gilt oft genug die Devise „Auffallen um jeden Preis“, dabei ist doch jede Cobra auf Grund ihrer Proportionen ein Hingucker.
Spannend ist auch die Geschichte des TVR S. Bei diesem britischen Kleinserienhersteller war in der 70er-Jahren ein Coupé namens 3000 M entstanden, welches am Markt gut aufgenommen wurde und für den Hersteller ein einträgliches Geschäft darstellte. Gegen Ende der Modelllaufzeit schob TVR ergänzend eine hübsche Cabriovariante nach, den TVR 3000 S, welcher als Linkslenker sogar in Deutschland und anderen Exportmärkten angeboten wurde.
Dem Zeitgeist entsprechend erhielten 3000 M und 3000 S Ende der 70er-Jahre Nachfolger mit keilförmigen, betont kantig gezeichneten Karosserien, die Modellreihe Tasmin im Stile des Triumph TR 7 bzw. zeitgenössischer Lotus-Modelle. Der Tasmin und seine mit nur geringen Änderungen realisierten Nachfolger verkauften sich mehr schlecht als recht, und das ehemals als progressiv empfundene Design wirkte ab Mitte der 80er Jahre schon leicht angestaubt.
Keine Replica, sondern bei seiner Vorstellung topmodern: der Tasmin ist ein gutes Beispiel für die kurzlebige Mode keilförmiger Karosserien, die in den 70ern ihren Anfang nahm. Durch die extrem lange Motorhaube wirkte das Fahrzeug trotzdem etwas unproportioniert.
Also erinnerte man sich bei TVR an die früheren Erfolgsmodelle und lancierte 1986 den TVR S, dessen Karosserie unübersehbar vom TVR 3000 S aus den 70er-Jahren inspiriert war. Wenn man so will, war das spätere Modell eine vom ursprünglichen Hersteller selbst gebaute, optisch leicht modifizierte Replica seines einige Jahre zuvor eingestellten Vorgängers.
Der gefällige Roadster besaß den 2,8 Liter V6-Motor des Ford Granada und beeindruckte dank des niedrigen Leergewichts von etwa 900 kg mit flotten Fahrleistungen und einem agilen Handling.
Unternehmerische Entscheidungen über die Produktionseinstellung von erfolgreichen Modellen sind nicht immer uneingeschränkt nachvollziehbar. So entschied Colin Chapman, Chef und Gründer des Sportwagenherstellers Lotus, Anfang der 70er-Jahre, die Fertigung des erfolgreichen Bausatz-Modells Seven einzustellen und sich auf höherwertige Komplettfahrzeuge zu konzentrieren.
Seit 1973 wird der Seven von der Firma Caterham gebaut. Sie erlebte zwar mehrere Besitzerwechsel und auch beim Fahrzeug selbst gab es zahlreiche tiefgreifende Änderungen, aber das ursprüngliche Fahrzeugkonzept und das Erfolgsgeheimnis dieses Cabrios blieben bis heute erhalten: puristischer, leichtgewichtiger Zweisitzer mit Go-Kart-ähnlichem Handling und, gemessen am Format, atemberaubenden Fahrleistungen.
Ein Sportwagen reinsten Wassers: wer auf Platz, Komfort, Ausstattung und andere „Nebensächlichkeiten“ verzichten kann, findet im Super Seven die ultimative Fahrmaschine.
Der andauernde Erfolg des Seven inspirierte über die Jahrzehnte hinweg viele Firmen dazu, ähnliche Fahrzeuge zu konstruieren und am Sportwagenmarkt zu platzieren. Das gelang mal besser, mal schlechter. Seit etwa 30 Jahren gibt es in Deutschland vom Opel-Tuner Irmscher den Roadster, einen unübersehbar an den Lotus Seven angelehnten reinrassigen Kompakt-Sportler. Als Turbo leistet er deutlich mehr als 200 PS – unvorstellbar in der zierlichen Hülle!
Bei diesem Leichtgewicht namens Irmscher 7 Turbo halten die Fahrleistungen, was die Optik mit den außenliegenden Auspuffrohren verspricht. Wie sein Vorbild aus England konnte man ihn auch als Bausatz bestellen.
Nicht immer haben Cabrios im Retrostil ein konkretes Vorbild; manchmal greifen sie auch nur Stilelemente einer bestimmten Epoche auf, so dass sie äußerlich den Eindruck eines waschechten Oldtimers vermitteln, unter dem Blech jedoch meistens nach ganz aktuellen Standards konstruiert sind.
Einer der ersten, der die Marktchancen eines solchen Baumusters positiv beurteilte, war Robert Jankel, der Chef des britischen Replica-Spezialisten Panther. Seine Modelle Lima und Kallista sahen mit ihren freistehenden Kotflügeln und Trittbrettern aus wie britische Roadster aus den 30ern, hatten unter dem Blech und motorenseitig jedoch Komponenten der britischen GM-Tochter Vauxhall bzw. von Ford eingebaut. Beide Modelle wurden auch in Deutschland angeboten. Mit dem 2,8-Liter-V6 von Ford Köln waren unter dem Tarnmantel eines Oldtimers verblüffende Fahrleistungen realisierbar.
Optisch ähnelt speziell die Front des Panther Lima etwas den Morgan-Roadstern, die Zweifarblackierung verleiht ihm jedoch zusätzlich einen Touch Bugatti. Die stilistische Gesamtkomposition darf durchaus als gelungen gelten.
Spontan würden viele nicht eingeweihte Autokenner auch die in Dülmen in Nordrhein-Westfalen produzierten Wiesmann Roadster in Großbritannien verorten, so sehr sind ihre Karosserien britischen Vorbildern wie dem Jaguar XK 120 nachempfunden. Mit dem MF 3 erzielte Wiesmann einen Achtungserfolg und betriebliche Gewinne, bei den in kleineren Stückzahlen gebauten späteren Modellen reichten die Erlöse zur Kostendeckung nicht mehr aus, so dass der Hersteller 2013 Insolvenz anmelden musste. Schade eigentlich, denn die Kombination von Retrodesign mit leistungsstarken BMW-Motoren hatte durchaus ihren Reiz.
Der MF3 war das Erfolgsmodell des deutschen Kleinserienherstellers mit dem Gecko als Markenzeichen. Geckos können dank der Haftfähigkeit ihrer speziell dafür ausgelegten Füße sogar kopfüber an Zimmerdecken laufen; das Wiesmann-Logo symbolisiert im übertragenen Sinne die (tatsächlich ausgeprägte) Haftfähigkeit des Fahrzeugs über die Bereifung auf der Fahrbahn.
Von Fall zu Fall bedarf es jedoch gar keiner hohen Leistungsdaten, um mit dem Charme einer Karosserie im Retrodesign beim Kunden zu punkten. So war es bei zwei italienischen Angeboten aus den 60er-Jahren, die damals auf ungewöhnlichem Wege zu ihren Kunden gelangten.
Auf der technischen Basis des Fiat 500 schuf der gleichnamige renommierte italienische Karosserieschneider den Vignale Gamine, welcher Stylingelemente von Fahrzeugen aus den 30er-Jahren aufgriff, darunter vordere Kotflügel im Stile des VW Käfer und einen wegen des Heckmotors funktionslosen, nach unten spitz zulaufenden Kühlergrill im Vorkriegsdesign. In Deutschland konnte dieser süße kleine Roadster Ende der 60er-Jahre über den Otto-Versand bestellt werden, fand allerdings keine große Verbreitung.
Ist er nicht süß, der Kleine? Er war sogar ein bisschen praktisch veranlagt, denn unter der vorderen Haube besaß er einen dort spontan nicht vermuteten Kofferraum.
Aus einer ähnlichen Motivation wie der Gamine bei Vignale entstand etwa zeitgleich bei Siata der Spring. Auch er war ein kleiner 2-sitziger Roadster im Retrostil, welcher kein konkretes Vorbild zitierte. Die vergleichsweise wuchtige Front mit Kühlergrillattrappe verbarg geschickt die Tatsache, dass im Heck der Motor des Fiat 850 für Vortrieb sorgte. Dieser Vierzylinder stellte jedoch deutlich mehr Leistung bereit als der Zweizylinder im Vignale; mit 47 PS in der Special-Ausführung war er während der Zeit seiner Vermarktung flotter unterwegs als ein VW Karmann Ghia – das überzeugte auch den einen oder anderen Interessenten. In Deutschland wurde er wie der Gamine über ein Versandhaus vermarktet. Das war damals kein Problem, denn den Service konnte jeder Fiat-Händler übernehmen.
Nein, das ist kein englischer Roadster aus den 50ern, sondern ein waschechter Italiener, sogar unter dem Blech. Der Fiat-Motor war anspruchslos und temperamentvoll zugleich und damit ein gewichtiges Kaufargument für dieses originelle Cabrio.
Erst Jahrzehnte später besann sich Fiat selbst seiner Wurzeln in der Nachkriegszeit, als zuerst der 600 und bald danach der 500 große Verkaufserfolge begründete. Viele der ursprünglichen 500er werden heute noch in Italien als nationales Kulturgut gehätschelt und verehrt, da lag es nahe, einen modernisierten Nachfolger auf Band zu legen, der mittlerweile seit vielen Jahren produziert wird und bereits im Kapitel „Cabriolimousinen“ ausführlich gewürdigt wurde.
Auch andernorts erfasste die Retrowelle in den 90er-Jahren das Autodesign. In Deutschland genoss das Käfer Cabrio eine ähnlich kultige Verehrung wie der 500 in Italien. So lag es nahe, mit dem „New Beetle“ Ende der 90er-Jahre ein Fahrzeug einzuführen, welches formal starke Anleihen beim jahrzehntelang gebauten Käfer nahm. Technisch war das jedoch nicht der Fall, denn der neue baute auf eine Golf-Plattform auf und besaß einen Frontmotor mit Frontantrieb. Das Fahrzeug entstand in zwei Generationen auch als Cabrio, wobei die sportlicher designte Serie 2 (jetzt hieß er nur noch Beetle) optisch deutlich überzeugender geriet als die Serie 1.
Das Käfer Cabriolet der Neuzeit wurde in Mexiko produziert und erfüllte weder in der ersten noch in der zweiten Auflage (hier im Bild) die Erwartungen der Marketingstrategen. Ob es am technischen Layout lag? Die „Neuen“ hatten den Motor und Antrieb vorne, beim Klassiker rumorte der Vierzylinder-Boxer im Heck.
In Großbritannien hatte BMW 1994 die Rover Group übernommen und damit auch die Markenrechte an Mini. Zu diesem Zeitpunkt war immer noch der bereits 1959 vorgestellte Mini in Produktion, selbstverständlich weiterentwickelt über mehrere Bauserien hinweg. Aber natürlich war schon seit längerem klar, dass diese Konstruktion kein Weiterentwicklungspotential mehr besaß und ein modernisierter Nachfolger dringend gebraucht wurde.
BMW musste auf Druck seiner Aktionäre den Verlustbringer Rover schon nach 6 Jahren wieder verkaufen, behielt jedoch die Marke Mini um damit das eigene Produktportfolio zu erweitern. Der pünktlich zur Jahrtausendwende vorgestellte „New Mini“ war ein zeitgemäßer Kleinwagen im Retrostil mit eindeutiger Designverwandtschaft zu seinem Vorgänger. Er zeichnete sich wie dieser durch ein besonders sportliches Fahrverhalten und auf Wunsch auch durch starke Motoren aus, z.B. beim Cooper S.
Das alles passte gut zum Image der Marke BMW, und um den Reiz des neuen Produktes speziell bei weiblichen Kunden noch zu erhöhen, schob BMW sehr bald ein Mini Cabrio nach. Dieses optisch sehr gelungene Fahrzeug verkörperte den Lifestyle des neuen Jahrtausends und war trotz recht gesalzener Preise ein absoluter Verkaufsrenner. Mit verschiedenen Sonderserien, die oft genug historische Vorbilder zitierten, blieb das Mini Cabrio aktuell und verströmte britischen Stil im besten Sinne, so wie der Minirock in den 60ern. Da sah die wohlwollende Kundschaft den frühen Minis der neuen Generation auch gerne nach, dass ihre Verarbeitungsqualität und Zuverlässigkeit noch nicht den Stand der übrigen BMW-Modelle erreicht hatte.
Auch die Neuinterpretation des Mini aus dem Jahre 2004 war ein Hingucker: Der Mini verzaubert seit Jahrzehnten vor allem die Damenwelt, besonders natürlich als Cabrio. Der Hersteller tut deshalb gut daran, an der Form nichts Entscheidendes zu ändern.
Der neue Mini ist zu einem Dauerbrenner geworden und läuft seit Anfang 2024 bereits in der vierten Bauserie vom Band. Bis zum Produktionsauslauf der dritten Bauserie gab es davon auch ein Cabrio. In Kürze soll auch das Cabrio der aktuellen Auflage serienreif sein, jedoch vorläufig nur mit Verbrennungsmotor verkauft werden. In Anbetracht der aktuellen Ausdünnung des Angebots an Cabrios wäre es erfreulich, wenn der Mini als Cabrio noch längere Zeit im Programm bliebe und es eine elektrisch angetriebene Alternative davon gäbe.
Bleibt noch ein Blick über den „großen Teich“. Dort erfasste die Retrowelle ab der Jahrtausendwende auch die einheimischen Hersteller. Chrysler war zu diesem Zeitpunkt bereits unter die Fittiche von Daimler-Benz geschlüpft und hatte, möglicherweise angespornt durch die Entwicklung des New Beetle bei VW, ein neues Modell im Retrostil in der Pipeline.
Der so entstandene PT Cruiser zitierte typische amerikanische Stylingelemente der 30er- und 40er Jahre. Zwar waren Scheinwerfer und Rückleuchten in dieser Zeit häufig schon in die Karosserie integriert, also nicht mehr freistehend wie in den Jahrzehnten zuvor, aber die Kotflügel waren noch klar als solche erkennbar, und ein „Rest“ von Seitenschwellern war ebenfalls sichtbar. Eine Besonderheit des Modells ist der Überrollbügel; in geschlossenem Zustand ist er nur beim zweiten Hinsehen zu identifizieren, weil er hinter den Seitenscheiben montiert ist.
Chrysler griff auch bei der Innenraumgestaltung des PT Cruiser auf Retrodesignelemente zurück und schuf damit ein sehr stimmiges Gesamtwerk; es ist erstaunlich dass dieses Modell bisher noch nicht als „Kultfahrzeug“ wahrgenommen wird, welches sich aufzuheben lohnt.
Aus bestimmten Blickwinkeln weist speziell die Cabrioversion des PT Cruiser eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem VW Beetle auf. Das Modell war eine durchaus originelle Kreation, die auch heute noch ihren Reiz hat, zumal sogar brauchbare Cabrios in den einschlägigen Gebrauchtwagenbörsen aktuell sehr günstig angeboten werden. Wie so häufig bei betont modischen Entwürfen, verblasste der Neuigkeitswert des PT Cruiser sehr schnell, so dass die Cabriovariante nur etwa 4 Jahre lang gebaut wurde. What a pity (PT)!
Andere amerikanische Retromodelle hielten dagegen wesentlich länger durch. Beim Ford Mustang steht sogar die Frage im Raum, ob er in dieser Rubrik der Replicas bzw. Retromodelle richtig eingeordnet ist. Seit der Vorstellung des ersten Mustangs im Jahre 1964 hat es bei Ford nämlich immer Modelle mit dieser Typenbezeichnung gegeben. Wenn man sich jedoch mit der Modellgeschichte des Mustangs näher beschäftigt, stellt man schnell fest, dass 1973 eine Zäsur stattfand. Alles, was danach unter dem Namen verkauft wurde, unterschied sich nicht nur stilistisch und technisch, sondern auch bezüglich des angesprochenen Kundenkreises deutlich von den Ursprungsmodellen.
2004 erfasste die Retrowelle aber auch Ford, und in der fünften Generation fand der Mustang stilistisch wieder zu seinen Wurzeln zurück. Nicht nur die Proportionen mit langer Motorhaube und kurzem Heck nahmen die Designsprache der historischen Vorbilder auf, sondern auch Front- und Heckansicht, letztere mit den für die frühen Mustang typischen Dreikammer-Rückleuchten. Sogar bei der Gestaltung der Zifferblätter der Instrumentierung gab es Zitate aus den 60ern.
„Back to the roots“ hieß es 2004 nach den Irrungen und Wirrungen der 30 Jahre zuvor für den Ford Mustang der 5. Generation. Inzwischen ist die 7. Generation am Start. Trotz aller Umweltdiskussionen gibt es ihn nach wie vor mit dem kultigen 5-Liter V8-Benzinmotor.
Auch wenn diese Mustang-Generation offiziell nicht in Deutschland angeboten wurde, fanden viele den Weg über graue Importeure auf den deutschen Markt, darunter auch einige Cabrios. Vermutlich blieb diese Entwicklung auch Ford Deutschland nicht verborgen; mit der Einführung der sechsten Generation des Dauerbrenners konnte das Modell wieder beim offiziellen Ford-Händler geordert werden. Auch wenn sich Gewicht und Motorleistung der aktuellen Mustangs sehr weit von den aus heutiger Sicht zierlichen Urmodellen entfernt haben, so ist doch das Design attraktiv geblieben und stellt zusammen mit den bärenstarken V8-Motoren eine reizvolle Variante des „American way of drive“ dar.
So wie schon in den 60er-Jahren der Erfolg des Mustangs den unmittelbaren Wettbewerber Chevrolet nicht ruhen ließ, bis in der Klasse der „Pony-Cars“ ein konkurrenzfähiger Wettbewerber erschienen war, geschah es auch im neuen Jahrtausend: Nach mehreren Jahren Pause, in denen der Hersteller kein Fahrzeug mit dem Namen „Camaro“ im Portfolio hatte, erschien 2009 ein „neuer“ Camaro, dessen Form, ähnlich wie beim Mustang, eindeutig von Vorbildern aus den 60ern und 70ern inspiriert war. Selbstverständlich ergänzte auch beim Camaro ein wohlproportioniertes Cabrio das Angebot.
Wie schon in den 60er- und 70er-Jahren haben auch im 21. Jahrhundert Ford Mustang und Chevrolet Camaro eine ähnliche Kundengruppe im Visier. Sie ist groß genug, dass sich für beide Hersteller die Produktion noch lohnt, auch als Cabrioversion.
Auch wenn es auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein scheint: die meisten Geländewagen und SUVs wurden und werden ganz zivil auf gut asphaltierten Straßen bewegt, und bei nicht wenigen von ihnen war die offene Variante die beliebteste. Nicht selten stand sie sogar am Anfang der Modellhistorie, vor allem bei Fahrzeugen aus der Frühzeit der Geländewagenentwicklung. Gute Beispiele dafür sind der amerikanische Willys Jeep und der britische Land Rover.
Früher Willys Jeep der US Army. Aus diesem Fahrzeug entstand die Marke Jeep, welche bis heute, ähnlich wie Land Rover, ein Spezialanbieter für SUV und allradgetriebene Fahrzeuge geblieben ist.
Der Urahn aller Jeep-Modelle war als offenes, geländegängiges Fahrzeug für das amerikanische Militär im Laufe des 2. Weltkriegs entwickelt worden. Nach Kriegsende ging der Bedarf an Militärfahrzeugen jedoch zurück, so dass der Hersteller bestrebt war, seine Fahrzeuge auch an zivile Kunden zu vermarkten. Das gelang über die Jahrzehnte hinweg recht gut, wenn es auch bei den Eigentümern der Firma mehrere Wechsel gab. Bis vor wenigen Jahren wurde eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Jeeps mit der Bezeichnung Wrangler noch als zweitüriges Cabrio verkauft, bei dem die stilistische Nähe zu den Urmodellen unverkennbar war.
Dieser moderne Jeep erinnert mit seinen senkrechten Metallstreben an der Front noch an den Ur-Jeep aus den 40ern. Die Version Rucicon ist nach dem Rubicon Trail in den USA benannt, einer besonders anspruchsvollen Offroad-Strecke, die Geländewagen alles abverlangt.
Beim ersten Landrover aus dem Jahre 1948 war die Zielsetzung eine andere. Er war als Fahrzeug für die Landwirtschaft entwickelt worden, daraus wurde ein weltweit erfolgreiches Modell. Besonders in Ländern mit schlechten Straßenverhältnissen schätzten seine Nutzer den Allradantrieb, aber auch die robuste Bauweise dieses Modells. Recht viele davon wurden als offene Varianten verkauft, man denke beispielsweise an die Fahrzeuge, die in schon früh in Afrika für Tiersafaris im Einsatz waren und auch heute noch sind.
Früher wurden viele Land Rover wie dieser „109“ mit langem Radstand aus den 60ern als offene Versionen verkauft; ihr Anteil ist bei den Nachfolgern, z.B. beim Defender, in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen.
Erfolgreiche Ideen finden meistens Nachahmer, und so traten im Bereich der „klassischen“, eher rustikalen Geländewagen auch die japanischen Hersteller schon frühzeitig in den Markt ein. Lange bevor es bei Toyota eine nennenswerte PKW-Produktion gab, wurde dort bereits der Land Cruiser produziert, zunächst ebenfalls für militärische Zwecke. Den Land Cruiser gibt es bis heute; im „Vor-SUV-Zeitalter“ brachte es die Generation „J40“ auf eine Modelllaufzeit von über 20 Jahren; viele davon hatten ein Softtop. Nachdem Toyota in den frühen 70er-Jahren mit dem Export nach Deutschland begonnen hatte, konnte man diese robusten Allesüberwinder auch bei uns erwerben.
Der Land Cruiser J40 war trotz seiner relativen Seltenheit ein wichtiges Modell für Toyota, auch in Deutschland. Seine robuste Machart und ausgeprägte Zuverlässigkeit begründeten den unerschütterlichen Qualitätsruf der Marke Toyota und sicherte damit die Verkaufserfolge in Exportmärkten.
Ab etwa 1980 waren alle größeren japanischen Hersteller auf dem deutschen Markt vertreten und deckten mit ihrem umfangreichen Modellangebot fast alle Fahrzeugsegmente ab, auch das Segment der Geländewagen. Suzuki operierte mit dem LJ 80 und später mit dem SJ 410 erfolgreich im Segment der Mini-Geländewagen. Der LJ 80 wurde zwar bald durch seine grottige Blechqualität bekannt, aber bevor sich das herumgesprochen hatte, war er am Markt sehr erfolgreich. Er sah niedlich aus und konnte mit relativ geringen finanziellen Mitteln unterhalten werden. Deshalb erlagen nicht wenige Fahrerinnen seinem Charme und stellten ihn sich als beträchtliche Aufmerksamkeit erregenden Zweitwagen in die Garage. Der SJ und seine Nachfolger setzten das erfolgreiche Konzept fort; bis vor einigen Jahren gab es auch in Deutschland noch den Jimny auf Wunsch in einer Cabrioversion.
Das Gesicht des Suzuki LJ erinnerte an den amerikanischen Willys Jeep, auch die Geländegängigkeit dieses kleinen Allesüberwinders war superb. Die Türen konnten leicht demontiert werden, eine zierliche Kette diente dann als „Schutz“ vor dem Hinausfallen …
Der Jimny wurde bis 2018 auch in einer Cabrioversion angeboten; im Vergleich mit „ausgewachsenen“ Geländewagen wirkten die kleinsten Suzuki stets winzig, fanden aber auch 40 Jahre nach dem LJ noch ihre Kunden.
Ein weiterer japanischer Klassiker mit Wurzeln in den 80er-Jahren war der Mitsubishi Pajero. Sein Erfolgsgeheimnis waren eine nicht ganz so martialisch anmutende Karosserieform wie bei den meisten seiner zeitgenössischen Wettbewerber und ein verbindlicheres Fahrverhalten auf trockenen Straßen bei uneingeschränkter Geländetauglichkeit. Der kultivierte Pajero wurde vor allen Dingen in den ersten Modellgenerationen noch sehr häufig als Cabrio mit kurzem Radstand verkauft.
Die meisten Geländewagen-Cabrios waren nicht komplett offen. Um die Karosseriesteifigkeit sicherzustellen, fanden sich bei ihnen im Dachbereich mehr oder weniger umfangreiche Verstärkungen, wie bei diesem Pajero aus den 90ern.
Ab Mitte der 80er-Jahre war das Angebot an Fun-Cabrios am deutschen Markt unterbesetzt, denn fast alle erschwinglichen Roadster und Spider waren zu diesem Zeitpunkt schon eingestellt worden. Bis der Mazda MX5 das Segment neu aufmischte, bestand ein Vakuum, in das die Japaner erfolgreich hineinstießen. Und was taten die deutschen Hersteller? Sie ließen sich Zeit, bis zum Erscheinen des Opel Frontera.
Genau genommen war dieses Modell ein halber Japaner, denn seine Ursprünge lagen bei der japanischen Firma Isuzu, die ebenfalls zum weltumspannenden GM-Imperium gehörte. Aber Opel gelang es zusammen mit Vauxhall in Großbritannien, wo das Modell gebaut wurde, den Frontera erfolgreich an europäische Bedürfnisse anzupassen und damit eines der ersten „SUV“ am Markt einzuführen. Bei näherem Hinsehen unterschied sich der Newcomer nämlich recht deutlich von Geländewagen traditioneller Machart, denn er hatte zwar Vierradantrieb, sah aber als 5-Türer eher wie ein hochgelegter Kombi aus.
Komplett anders wirkte der 3-Türer Frontera Sport, bei dem die komplette obere Dachpartie hinter den breiten B-Säulen als abnehmbares Hardtop ausgelegt war. Offen entstand auf diese Weise ein sogenanntes Landaulett: Die hinteren Passagiere saßen an der frischen Luft, die vorderen unter einem festen Dach. Um vorne die Frischluftzufuhr zu verbessern, war allerdings ein aufstellbares Glasdach integriert. Der Frontera verkaufte sich zwar erfolgreich, erhielt jedoch wegen vieler Detailmängel und mäßiger Verarbeitungsqualität nur wenig Lob von den Testern.
Der Frontera Sport aus den frühen 90ern machte optisch richtig was her und unterschied sich schon äußerlich deutlich von den typischen Geländewagen früherer Jahrzehnte. Markant waren die breite B-Säule und die serienmäßigen Kotflügelverbreiterungen vorn und hinten.
Das konnten die Japaner besser und früher: Suzuki war ermutigt vom Erfolg seiner kleinen Geländewagen und lancierte schon 1988 den Vitara als kleines „SUV“. Der flotte Dreitürer wurde in Deutschland überwiegend als Cabrio verkauft und ebnete ähnlich gemachten Nachahmern wie dem Toyota RAV 4 den Weg. Auch dieser wurde in der ersten Bauserie häufig als Cabrio bestellt und verwöhnte seine Besitzer mit PKW-gemäßem Fahrverhalten.
Beim Vitara gestaltete sich das Öffnen des Verdecks ähnlich aufwendig wie bei den meisten anderen offenen Geländewagen. Viele Vitara der ersten Serie liefen jedoch als Zweitwagen und wurden, nicht selten von weiblichen Pilotinnen, nur bei schönem Wetter gefahren.
Grenzfall: Beim RAV 4 saßen nur die Hinterbänkler an der frischen Luft. Immerhin konnte man gegen Mehrpreis ein herausnehmbares Dachteil für die Vornesitzenden ordern. Die Cabrioversion wurde nur für die erste Generation des RAV 4 (= Recreational Active Vehicle with Four-Wheel-Drive) angeboten.
Die meisten deutschen Hersteller verschliefen leider zunächst den Trend hin zu leichteren Geländewagen und später zu SUVs, die zwar optisch an Geländewagen erinnerten, oft aber gar keinen Allradantrieb mehr besaßen. Mercedes produziert jedoch bis heute die G-Klasse, ein Fahrzeug mit überragenden Geländeeigenschaften zu einem für Normalverdiener unerschwinglichen Kaufpreis. In den ersten gut 30 Jahren seit Beginn der Produktion dieses Dauerbrenners 1979 wurde der „G“ auch als 3-türige Cabrioversion angeboten. Zunächst hatte man als Zielgruppe für dieses Modell in erster Linie Kunden im Visier, für die der Nutzwert des Fahrzeugs, also seine besondere Eignung für Gelände und Anhängerbetrieb, im Vordergrund standen. Heute dominiert als Kaufmotiv eher der „Lifestyle-Faktor“, was sich an den Verkaufsergebnissen der zahlreichen AMG-Versionen ablesen lässt.
Dieses späte G 500 Cabrio besitzt wie alle Mercedes G-Modelle eine ausgefeilte Allradtechnik, doch durch den Imagewandel des Modells über die Jahrzehnte hinweg sind starke Motoren wie der 5-Liter V8 und eine noble Ausstattung viel wichtiger geworden.
Beim deutschen Platzhirsch VW hatte man fast zeitgleich mit Mercedes auch schon einen heute fast vergessenen offenen Geländewagen im Programm, den Iltis. Dieses Fahrzeug war eine Auftragsentwicklung für die Bundeswehr und war sehr funktionell konstruiert und ausgestattet. Zivile Kunden konnte man damit kaum ansprechen, und so blieb das Modell eine Randerscheinung.
Seltener „ziviler“ Iltis. Auch wenn er heute fast vergessen ist, spielt er doch eine wichtige Rolle in der Firmenhistorie der Marke Audi, bei der er entwickelt wurde: seine Antriebstechnologie diente als Inspiration für die Entwicklung des ersten Audi quattro.
Ähnlich war es einige Jahre vorher schon dem bekannteren VW 181 ergangen. Er war für private Kunden zu primitiv und für den Einsatz bei der Bundeswehr nicht geländetauglich genug. Aber wenigstens war er günstig im Unterhalt und auf interessante Weise skurril. Deshalb haben viele 181 eine zweite Karriere als Gebrauchtwagen hingelegt und wurden, nicht selten von jungen Leuten, als preiswerte Cabrios „heruntergeritten“. Auf die Plätze hinten konnte man im Jahr der Vorstellung übrigens problemloser gelangen als bei jedem anderen Volkswagen, denn der 181 war, noch vor dem 411, der erste Viertürer der Marke.
Der „moderne“ Kübelwagen von VW besaß die bewährte Antriebstechnik des VW Käfers; Ersatz für defekte Teile war zu seinen Lebzeiten günstig und quasi überall (auch gebraucht) verfügbar. Für Hartgesottene war die plane Windschutzscheibe samt Rahmen abklappbar.
Ganz ohne Türen kam zeitlebens der Mini Moke aus. Auch er war ursprünglich eine Entwicklung für den militärischen Einsatz, konnte aber mangels Allradantriebs seiner Zweckbestimmung nie gerecht werden. Stattdessen etablierte er sich als lustiges Spaßauto, das jahrzehntelang in verschiedenen Ländern gebaut wurde, zuletzt sogar in einer Version mit Elektroantrieb.
In südlichen Ländern mit viel Sonnenschein war der Mini Moke wesentlich beliebter als in seinem kühlen und feuchten Ursprungsland Großbritannien. Kein Wunder, dass die Produktion bald nach Australien und später nach Portugal verlegt wurde.
Einen solchen besitzt auch der Citroën e-Méhari. Dieses vom Konzept her vielversprechende Fahrzeug wurde dadurch ausgebremst, dass sein Akku quasi permanent geladen werden muss. Eine solche Auslegung passt nicht zu einem Fahrzeug, welches überwiegend im Freizeitbereich eingesetzt wird. Zudem gab es keine Möglichkeit, die Antriebsbatterie zusammen mit dem Fahrzeug zu kaufen; stattdessen wurde monatlich eine Batteriemiete in Höhe von 87.- Euro fällig, die abgebucht wurde, auch wenn das Fahrzeug kaum genutzt wurde. Beim Wiederverkauf musste der Batterievertrag zwingend vom neuen Besitzer übernommen werden!
Nicht zu Ende gedacht: Die Machart des Citroën e-Méhari war einfach, seine Form entbehrte aber nicht eines gewissen Chics. Dass er dennoch nicht zum erhofften Erfolg wurde, lag an der wenig praxisgerechten Antriebstechnologie und am umstrittenen Vermarktungskonzept.
Da war die Gesamtkonzeption des historischen Méhari wesentlich durchdachter. Dieses Modell nutzte viele Komponenten der Citroën Dyane, der luxuriöseren Variante der legendären Ente. Deshalb war er relativ preiswert herzustellen und bot mit seiner offenen Kunststoffkarosserie viel Fahrspaß, aber auch einen nicht zu vernachlässigenden Nutzwert. Speziell in Südfrankreich mit seinen regenarmen Sommern sieht man auch heute noch vereinzelt Méharis im täglichen Einsatz bei landwirtschaftlichen Betrieben, die den für ein Fahrzeug dieser Größe üppigen Stauraum im Wagenheck für kleinere Transporte nutzen.
Am Strand, vorzugsweise in Südfrankreich, fühlte sich der Méhari besonders wohl. Häufig waren diese Autos in den knallbunten Farben der 70er-Jahre lackiert. Für noch mehr Frischluftzufuhr konnten ohne großen Aufwand die Türen abgenommen werden.
Bei Mini Moke, Méhari und manchen ähnlich gemachten Fahrzeugen werden die Verdecke in der Regel nur selten geschlossen, weil sie fast nur bei schönem Wetter gefahren werden. Ähnlich ist es bei einer weiteren Gattung offener Fahrzeuge, welche vor allem in den 70er- und 80er-Jahren populär waren, heutzutage aber fast nur noch auf Oldtimerveranstaltungen in Erscheinung treten. Die Rede ist von den Buggies auf der Basis des VW Käfer.
Durch den schweren Heckmotor des VW auf der Antriebsachse haben alle Buggies eine recht gute Traktion, welche sie für den Einsatz an Sandstränden und in den Dünen prädestinierte. Durch das geringe Gewicht und die großen Reifen im Ballonformat konnte man damit auch ohne Allradantrieb viel Spaß am Strand haben. Zur Zeit ihrer Entstehung in den USA gab es noch wenig Einschränkungen bezüglich der Nutzung in der Natur, was sich in späteren Jahrzehnten änderte. In der Hochzeit der Buggies gab es eine Vielzahl von Herstellern, die teilweise sehr ansprechende Modelle auf verkürzte Käfer-Fahrgestelle setzten. In Deutschland entstand im Zuge des Buggy-Hypes der von der Zeitschrift „Gute Fahrt“, einer Publikation speziell für VW-Fahrer, initiierte „GF-Buggy“, welcher in Zusammenarbeit mit Karmann realisiert wurde.
Der GF Buggy soll hier stellvertretend für eine große Anzahl ähnlich gemachter Fahrzeuge stehen. Buggys entstanden sogar in Ländern, in denen ansonsten keine nennenswerte Autoindustrie vorhanden ist, z.B. in der Schweiz, den Niederlanden und Österreich.
Heutzutage würde man Fahrzeuge in der sicherheitstechnisch eher bedenklichen Machart der Buggies vermutlich nicht mehr zugelassen bekommen, denn für sie würden aktuelle PKW-Maßstäbe gelten. Bei den mittlerweile gar nicht selten auf unseren Straßen anzutreffenden Quads werden dagegen Sicherheits- und Umweltschutzvorgaben sehr viel laxer gehandhabt. Wer deswegen keine Bedenken hat und sich ein offenes Fahrzeug für den Stadt- und Nahverkehr wünscht, kann aus dem Angebot mehrerer Hersteller, überwiegend aus Nordamerika und Fernost, auswählen. In Deutschland dürfen Quads übrigens mit dem PKW-Führerschein gefahren werden, sind also keine Motorräder, trotz der Lenkstange.
Sieht nur ein kleines bisschen wie ein Auto aus, hat aber mehr Hubraum als eine Ente: Das Flaggschiff des Marktführers bei den Quads, der Kymco MXU 700. In Europa wird er als Traktor zugelassen.
Wegen der mangelnden Sicherheit gibt es erhebliche Bedenken gegen diese „Cabrios“, deren Absatzzahlen jedoch stark steigen, ganz einfach, weil sie „trendy“ sind. Ein anderer Trend ist leider schon wieder abgeflaut, noch ehe er richtig Rückenwind bekommen hat. Der Trend zu SUV-Cabrios wurde zwar schon vor vielen Jahrzehnten begründet, jedoch handelte es sich bei diesen frühen Modellen meistens um Fahrzeuge mit mehr oder weniger umfangreichen Karosserieverstärkungen im Dachbereich, z.B. Überrollbügel.
In Zeiten, in denen auch SUVs nur noch selten im Gelände genutzt werden, haben sich bisher hauptsächlich zwei Anbieter getraut, „bügelfreie“ Vollcabrios mit komplett offenem Dachbereich anzubieten: VW und Range Rover. Bei VW hat das T-Roc Cabrio mangels offener Wettbewerber fast eine Alleinstellung in der Klasse der kompakten Cabrios. Obwohl es mit seiner erhöhten Sitzposition dem aktuellen Trend zum SUV folgt, sind die Verkaufszahlen offensichtlich nicht ausreichend, um für den in Kürze anstehenden Nachfolger der aktuellen Baureihe die Entwicklung einer Cabrioversion zu rechtfertigen.
Hübsch gemachtes viersitziges SUV-Cabrio zum erschwinglichen Preis und mit überschaubaren Unterhaltskosten: Noch kann man den offenen T-Roc bestellen; wer eines der letzten Exemplare ergattern will, sollte sich jedoch beeilen.
Range Rover hatte mit dem Evoque Cabrio sogar schon einige Jahre früher ein SUV-Cabrio im Programm, welches bei seiner Vorstellung enthusiastisch gefeiert wurde, denn es eröffnete eine bisher nicht besetzte Marktnische. Das Fahrzeug brillierte mit einer sehr eleganten Optik und einer hochwertigen Anmutung; trotzdem konnte es sich am Markt nicht durchsetzen und wurde für die zweite Generation des Evoque ersatzlos gestrichen.
Das chice Evoque Cabrio wurde 2017 sogar zum Allradauto des Jahres der Zeitschrift „Auto Bild Allrad“ gewählt, leider hat es den Verkaufszahlen kaum genutzt.
Schwere Zeiten also für Cabrios, wenn nicht einmal Trendsetter ausreichend Kunden finden. Wie vielfältig war dagegen das Angebot in früheren Jahrzehnten! Im nächsten Kapitel geht es um Grenzfälle, bei denen nicht ganz eindeutig ist, ob man sie der Gattung Cabrio zuordnen soll, und um Cabrios, die selbst Marktkenner überraschten, weil sie von Herstellern auf den Markt geworfen wurden, denen man sie nicht zugetraut hätte.
Außerdem werfen wir einen etwas traurigen Blick zurück auf Modelle, von denen wir uns gerade verabschieden mussten, und einen erwartungsvollen Blick nach vorn auf Cabrios, die quasi vor der Tür stehen.
Fortsetzung - Teil 8: Cabrio oder nicht Cabrio, das ist hier die Frage! oder zur Übersicht
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