Was ist eigentlich ein Cabrio?

Redaktionelle Serie von Werner














 

Einleitung

„Mit Cabriolet oder kurz Cabrio wird die Karosseriebauform eines Pkw bezeichnet, dessen Dach durch Zurückklappen geöffnet werden kann.“ So kurz und bei oberflächlicher Betrachtung erschöpfend diese Erklärung aus der „Wikipedia“ (Stichwort: Cabriolet) auf den ersten Blick erscheinen mag, so viele Fragen wirft sie bei etwas intensiverem Nachdenken auf:

Fangen wir mal beim Dach an: Wird es immer nur zurückgeklappt? Oder wird es in manchen Fällen eher abgenommen, komplett oder nur teilweise? Oder gar irgendwie „versenkt“? Was sieht man von ihm noch, wenn es im weitesten Sinne „zurückgeklappt“, also „geöffnet“ ist?

Zum zweiten: Wie „geöffnet“ ist die Karosserie eines Cabrios im Einzelfall, wenn sein Dach zurückgeklappt ist? Wie „offen“ muss ein Fahrzeug eigentlich mindestens sein, damit es „noch“ oder „schon“ (je nach dem Auge des Betrachters) als Cabrio bezeichnet werden kann?

Gerade über die letzte Frage sind schon viele erbitterte Diskussionen geführt worden, nicht nur in unserem Club. Ich erinnere mich noch gut an die Einführung des ersten VW Golf Cabrios im Jahre 1979. Einen kollektiven Aufschrei aller Käfer-Cabrio-Fahrer konnte man vernehmen: Wie konnte VW es wagen, eine Stilikone wie das Käfer Cabrio durch eine Schachtel mit einem „Henkel zum Wegwerfen“ zu ersetzen? Gemeint war natürlich der Überrollbügel, welcher die Karosseriesteifigkeit entscheidend verbesserte.


VW Käfer Cabrios von Karmann und Hebmüller: das Hebmüller-Cabrio zeigte schon 1948, wie man aus der biederen Käfer-Basis ein chices, sportliches Cabrio mit voll versenkbarem Verdeck kreieren kann. Der brave Karmann war jedoch kommerziell weitaus erfolgreicher und wurde in weiterentwickelter Form als 1303 Cabrio noch bis Anfang 1980 gebaut.


Schon bald stellten jedoch auch die „ehernen“ Käfer-Fanatiker fest, dass der Golf nicht nur das wesentlich temperamentvollere und modernere Auto, sondern objektiv gesehen auch das bessere Cabrio war. Durch die höhere Leistung (beim GLI Cabrio anfangs 110, später 112 PS) machte es einfach viel mehr Spaß, das offene Fahrgefühl zu genießen, und der Überrollbügel schmälerte die Effektivität der Frischluftdusche keineswegs. Das Gesamtkonzept des Golf I Cabrios war so erfolgreich, dass es in 14 Produktionsjahren auf eine höhere Produktionszahl kam als das Käfer Cabrio in mehr als 30 Jahren!

Heute wird ein Golf I Cabrio höchstens liebevoll „Erdbeerkörbchen“ genannt. Es hat den Status eines automobilen Klassikers erlangt, gerade auch bei jüngeren Cabrio-Fans, die vielleicht ihre Kindheit auf dem Rücksitz eines solchen Fahrzeugs verbracht haben. Sein Überrollbügel gilt mittlerweile als herrlich zeitgeistig; kaum jemand käme auf die Idee, es deswegen zu diskriminieren. So ändern sich die Zeiten und mit ihnen die Sichtweisen!

Um das Phänomen „Cabrio“ ganzheitlich erfassen zu können, schadet es deshalb sicherlich nicht, einmal in vergangene Zeiten einzutauchen, besonders in Zeiten, in denen bestimmte Baumuster typisch waren, so wie die Bügelcabrios für die 80er und 90er Jahre. So hatte jede Zeit ihre eigenen Moden und ihre typischen Vertreter, selbst dann, wenn man ganz zum Beginn der Autoentwicklung zurückkehrt. Auch die Bezeichnungen für die Endprodukte änderten sich, wobei die Abgrenzungen zwischen den einzelnen Bauformen über die Jahrzehnte hinweg immer unschärfer wurden. Dies gilt auch für die heute als Überbegriff für offene Fahrzeuge verwendete Bezeichnung „Cabrio“ selbst.


DKW 3=6 Cabrio (F91) und Skoda Felicia Cabrio: Der DKW setzt in den 50ern die Designsprache der Vorkriegszeit fort, auch beim Verdeck, welches geöffnet auf der Heckpartie aufliegt. Das Felicia Cabriolet übersetzt die Heckflossenmode der späten 50er aus dem Amerikanischen ins Tschechische. Geschrumpftes, aber dennoch elegantes Format mit voll versenkbarem Verdeck trotz 4 Sitzen. Geht doch!


Die Geschichte des Cabrios beginnt bereits vor der Geschichte des Autos. „Schon lange vor dem Zeitalter des Automobils war mit Cabriolet bzw. Kabriolett ein leichter offener, einspänniger (Pferde)Wagen oder Ausflugswagen für Schönwettertage gemeint.“. Dieses Zitat aus der Wikipedia ist auch heute noch hilfreich beim Versuch, typische Eigenschaften eines (heutzutage natürlich motorisierten) idealen Cabrios festzuhalten: „leicht“ soll es sein, „offen“ sowieso, viel Platz für Mitfahrer muss es nicht bieten (sonst wäre es zu schwer gewesen, um von einem einzigen Pferd gezogen zu werden), dafür jedoch viel Fahrvergnügen, besonders an Schönwettertagen.

Wahrscheinlich hat an dieser Stelle jeder Leser dieser Seiten ein anderes Bild von einem „typischen“ Cabrio vor seinem geistigen Auge. Ich würde mich allerdings nicht wundern, wenn es in vielen Fällen ein flotter italienischer 2-Sitzer aus den 70ern wäre, beispielsweise ein Alfa Romeo Spider in Rot.


Alfa Romeo Spider Duetto und Triumph Spitfire 1500: Beide sind Vertreter der in den 60er und 70er Jahren noch zahlreichen offenen Zweisitzer mit Kurbelfenstern und voll versenkbarem Verdeck. Der Designer des Spitfire war Giovanni Michelotti – ein Italiener!


Moment mal: Wir wollten uns doch eigentlich mit Cabrios beschäftigen, und jetzt kommt da plötzlich ein Spider ins Spiel!? Wenn wir schon dabei sind: manch einer träumt ja auch eher von einem englischen Roadster, beispielsweise von einem Triumph Spitfire, der ist ja auch 2-sitzig, offen und leicht und besitzt ein voll versenkbares Verdeck, genau wie der Alfa. Trotzdem gehört er augenscheinlich zu einer anderen Gattung, denn es ist ja ein Roadster, kein Spider. Hoppla, jetzt wird’s aber kompliziert: Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Roadster und einem Spider??

Eine wichtige Aufgabe dieses Artikels sehe ich darin, etwas Licht in den Dschungel der verschiedenen Baumusterbezeichnungen zu bringen, denn neben den genannten gibt es weitere, die in Verbindung mit Cabrios in Gebrauch sind, wie z.B. Targa, Landaulet, Cabriolimousine oder Cabrio-Coupé sowie andere, welche speziell bei bestimmten Herstellern verwendet werden oder wurden, wie z.B. „Twin Top“ bei Opel.


Opel Astra Twin Top: ein typisches Cabrio-Coupé. Gut erkennbar sind die 3 einzelnen Dachsegmente, die sich bei der Öffnung im Kofferraum zusammenfalten.


In meinem Modellautofundus gibt es einige typische Beispiele für die jeweiligen Bauarten, aber auch von Übergangsformen, die natürlich besonders spannend sind. So kann ich in vielen Fällen mit eigenen Fotos die einzelnen Folgen dieser Fortsetzungsgeschichte ergänzen. Die übrigen Bilder von realen Autos stammen aus verschiedenen Quellen im Internet. Ich wünsche allen Lesern gute Unterhaltung und viel Spaß bei der Lektüre.


Fortsetzung - Teil 1: Das „Cabrio“ im ursprünglichen Sinne



cabrio_e.htm - Letzte Aktualisierung: 07.04.2024_19